Predigt zu Genesis 12, 1-3
am 11. Oktober 2017

Studienleiter Pastor Ekkehard Langbein
zur Verabschiedung in den Ruhestand
 

Friede sei mit Euch- und Gnade
Von Gott unserem Vater und unserem Herrn und Bruder Jesus Christus !

Liebe Gemeinde hier im Ratzeburger Dom, liebe Freundinnen und Freunde!

Gehe‘ aus Deinem Vaterhaus - geh‘ in ein Land, das ich dir zeigen will. Ich will Dich segnen und du sollst ein Segen sein!

Dieses Wort aus dem Buch Genesis, Kapitel 12 hat mich über all die Jahre in meinem Pastorendasein immer wieder begleitet. Es ist ja nicht nur einmal im Leben wichtig. Es kann einen in sehr vielen biografischen Situationen treffen und begleiten. Bis ins Älter werden. Immer wieder gibt es Aufbrüche, gibt es die Notwendigkeit sich zu lösen und nach vorne zu schauen. Abraham erreichten diese Worte, als er schon betagt war: Und er machte sich auf aus seinem vertrauten Umfeld in ein neues, unbekanntes Land. Heute ist dieses Wort ein Klassiker geworden für die Situation der Konfirmation: ein Jugendlicher überschreitet die Schwelle vom Elternhaus- hinein in sein eigenes, erwachsen-werdendes Leben. Und: immer wieder geht es darum, Schwellen zu meistern, sich des Segens zu vergewissern und: den ersten Schritt aus der vertrauten Geborgenheit zu setzen. Los - zu - Gehen – wenn ich mich für einen Beruf entscheide, wenn ich mich binde an einen anderen Menschen, wenn Kinder aufzuziehen sind, wenn ein Stellenwechsel ansteht, wenn ein Umzug zu meistern ist und auch: wenn es heißt, sich neu zu sortieren am Ende der aktiven Berufsarbeit und den Wechsel hinzukriegen in den Ruhegang- wie bei mir jetzt.
Vertrau darauf: ich will Dich segnen und du sollst ein Segen sein. ----------------------

Wie oft haben wir zu diesem Wort gearbeitet und mit Aufstellungen, kleinen Szenen, Slow–motion-Spiel unterschiedliche Segensgesten erprobt, was Segen im Aufbruch für uns bedeuten kann.
 



Skulptur Walter Green „Aufbruch“
Foto: Ekkehard Langbein 2017

 

Mit dem Programmblatt für diesen Gottesdienst habt Ihr alle eine Fotokarte bekommen. Diese Karte zeigt eine Skulptur von Walter Green. Diese Skulptur steht ja hier in unserem Ratzeburger Dom. Sie fasziniert mich, seit ich hier in Ratzeburg vor fast zehn Jahren angefangen habe. Sie hat den Titel „Aufbruch“. Und sie sagt mir in ihrer einfachen, klaren Art so viel vom Sich lösen und vom Segen. Schon lange bevor es an Detailvorbereitungen ging, musste ich für diesen Gottesdienst an diese Skulptur von Walter Green denken. Sie ist für mich ein ganz wichtiger Bildeindruck.

Walter Green ist Holzbildhauer. Und die Skulpturen, die ich von ihm kenne, betonen das Holz in seiner eigenen Struktur und Form. Einige Akzente, die dem Holz beigefügt werden, machen es zur bildnerischen Aussage. So wie die Skulptur Aufbruch. Für mich stellt diese Skulptur dar:

Den feinen inneren Moment, das erste ‚sich lösen‘, ohne Getöse, aber mit einem Zwischenraum, der schon entsteht, und der weiter wird und zur Ablösung führt. Wie im ersten Moment nach einem Kuss, den man dem Kind auf die Stirn gibt, wenn es sich auf den Weg aus dem Haus macht. Man kann die beiden Skulpturfiguren unterschiedlich nah zueinander stellen. Wie stehen sie wohl nach einer Stunde – nach einem Tag - einem Jahr? Und: wie stehen sie bei einem Wiedersehen und einem neuen Zusammenkommen? -----------------------

In der Bibel gibt es unzählige Geschichten des Aufbruchs. Im Hebräerbrief wird im 11. Kapitel eine ganze Palette biblischer Figuren unter diesem Gesichtspunkt zusammengefasst. Und es heißt dort: „Glaube ist eine Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nicht-Zweifeln an dem, was man nicht sieht „(Hebr. 11,1). Immer wieder geht es in der Bibel um diese Zuversicht und diese Gewissheit, schon bei Abel, bei Henoch, bei Noah, bei Abraham, bei Sarah, bei Isaak, bei Jakob; bei Joseph; ---- auch schon bei Mose und Rahel ---- eben bei der ganzen ‚Wolke der Zeugen‘, wie sie uns dort vorgeführt wird. Und auch: bei uns, bei jedem von uns. --------------------------

Zuversicht, auf das was man hofft , und Nicht-Zweifeln an dem, was man nicht sieht !

Immer wieder im Leben werde ich an Schwellen geführt, bei denen ich innehalten muss, alte Orientierungen sich auflösen, ich mich also neu orientieren muss und mich schließlich mit einem Akt des Vertrauens ins Neue stürze. Glaube meldet sich darin als eine gute Kraft, die diese Zuversicht eröffnet, auf das, was man hofft. In den Umbrüchen und Aufbrüchen, durch die wir im Leben gehen.

Denn: Aufbruch ist ja verbunden mit einem Ziel, mit einer Hoffnung, irgendwo anzukommen. Da aber erzählen die biblischen Geschichten wenig. So, als wäre die Vorstellung, anzukommen, eine Illusion. Das Ziel, das Verheißene, bleibt so immer vor einem: das gelobte Land kann nicht einfach besetzt werden! Das ist die Weisheit vieler Geschichten: die bleibende Wanderschaft. Wanderschaft durch ein ungefähres Land. Es gibt kein einfaches Ruhen nach der Schwelle, keinen Status, angekommen zu sein. Sondern: am neuen Ort, im neuen Lebensalter folgen immer neu Aufbrüche und Herausforderungen.
So möchte ich das auch mitnehmen, bei den Schritten, die jetzt vor mir liegen:

Aufbrechen – sich lösen aus den alten Beziehungen und Aufgaben/ Neues vor Augen/ aber auch: wissen, dass es ein einfaches Ankommen nicht geben wird. Es gibt keine Wege, nur gehen. Und Gott sagt dazu: ich werde sein, der ich sein werde. Ich denke an die Kraniche, die jetzt am Himmel mit mutiger Kraft in den Süden fliegen. Strecke um Strecke, Scharm um Schwarm ----- sie sind ein Bild für die Seele ----- uns zu ermutigen, es ihnen gleich zu tun und unbeirrt nach vorne zu streben!

Das bringt mich in meinen Gedanken wieder zur Skulptur von Walter Green. Man kann sie auch anders herum sehen. Nicht zwei, die sich im Aufbruch voneinander zu lösen beginnen. Sondern: eine Figur, die sich gerade im Aufbruch befindet, und eine andere, zweite Figur, die sich dazu gesellt. Wie ein Hüter, wie ein Begleiter. -----------------

Dann wird die Form der linken Skulptur als Engelsgestalt erkennbar, wie mit großen Flügeln ausgestattet. Diese Vorstellung hilft mir, mich mit gutem Vertrauen auf die ungefähre Landschaft zu zu bewegen, die mit der Ruhestandszeit vor einem liegt. Denn es braucht bei diesem großen Umbruch so etwas wie eine erneuerte Konfirmation an dieser Schwelle: ‚Ich will dich segnen – und Du sollst ein Segen sein.‘

Im Rückblick bin ich einfach dankbar für die Chancen, die sich mir eröffnet haben, dankbar für die Kollegialität, die Unterstützung, die Kritik. Ich habe so viel erlebt, kennengelernt, so viel gelernt und selbst entwickeln können, bin so vielen interessanten Menschen begegnet: und allen Weggefährten danke ich wirklich von Herzen!! With a little help from my friends‘.
 
Im Rückblick fällt es mir wie Schuppen von den Augen: - so wie den Jüngern von Emmaus - ich war begleitet, gehalten, geschützt, bin einen guten Weg geführt worden. Dafür bin ich sehr dankbar.
 
Zum Schluss noch einmal zur Skulptur. Wenn ich ihr eine Stimme gebe und sie sprechen lasse, dann höre ich:

"Jetzt wird der erste Schritt getan auf deinem neuen Wegabschnitt. Vertrau in diesem Schritt und in allen Schritten, die noch folgen, auf die tiefere Kraft, die von Gott her da ist in deinem Leben. Sein Engel will Dich halten und führen!“

AMEN
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn!


 

 

Pastor Studienleiter Ekkehard Langbein

Predigt am 13. Dezember 2017 im Dom zu Ratzeburg.